Prof. Dr. Anabel Ternès von Hattburg gründete die gemeinnützige Organisation GetYourWings in Berlin, die bundesweit und international Zukunftskompetenzen fördert. Neben dem verantwortungsvollen Umgang mit digitalen Medien und Programmierkenntnissen werden an Schulen Kindern in Workshops weitere Zukunftskompetenzen vermittelt, die Wissen, Orientierung und Fertigkeiten in einer digitalen Welt bieten. 

Wir sprachen mit Frau Ternès von Hattburg über die Bedeutung digitaler Schlüsselkompetenzen, den Umgang mit digitalen Medien sowie die Vermittlung von digitalen Themen durch das Elternhaus.

Bärti: Das EU Parlament und der Europäische Rat haben 2006 Digitale Kompetenz als Schlüsselkompetenz festgelegt. Was verstehen Sie darunter?

Anabel Ternès von Hattburg: Diese Festlegung ist unbedingt zu begrüßen, schließlich sollten unsere Kinder souverän, nachhaltig und gesund mit den digitalen Medien umgehen können, die künftig ihr Leben in einem noch viel stärkeren Maß bestimmen werden, als dies heute schon der Fall ist. Aber viel mehr noch sollten sie ihre Zukunft gestalten können. Zwischenzeitlich liegt auch die Version 2.1 des Europäischen Referenzrahmens für digitale Kompetenzen, kurz DigComp, vor, der 21 Kompetenzen in fünf Bereichen umfasst. Dazu zählen beispielsweise Informations- und Medienkompetenz, aber auch digitale Kommunikation und Kollaboration und die Erstellung von digitalen Inhalten. Aus meiner Sicht ist dies jedoch immer noch zu kurz gegriffen. Siehe dazu auch mein Blogbeitrag.

Bärti: Über welche digitalen Kompetenzen sollten Kinder und Jugendliche verfügen?

Anabel Ternès von Hattburg: Es reicht nicht aus, Hard- und Software zu beherrschen und auf Social Media viele Follower generieren zu können. Um das enorme Potenzial der Digitalisierung auch nur annähernd ausschöpfen zu können, sind neben technischen Kompetenzen starke Persönlichkeiten gefragt, die im Rahmen eines stabilen Wertesystems agieren, soziale und ökologische Kompetenzen mitbringen, aber auch über ein ausgeprägtes Gesundheitsbewusstsein verfügen. Genau diese Kompetenzen vermitteln wir in unseren Get Your Wings Workshops.

Die digitale Transformation berührt alle Lebensbereiche – Kinder sollten dies verstehen und ihre Zukunft aktiv gestalten lernen.

Bärti: Wie sollten Schulen den Kindern digitale Kompetenzen vermitteln und was muss sich dafür in der Schulpolitik ändern?

Anabel Ternès von Hattburg: Für unsere Kinder ist der Umgang mit vielen digitalen Tools bereits eine Selbstverständlichkeit. Moderne Hardware in den Unterricht einzubeziehen, ist zeitgemäß. Dies macht allerdings nur einen Teil aus bei der Vermittlung digitaler Kompetenzen. Es sollte unbedingt die Verknüpfung mit Wissen, mit persönlichen wie sozialen Fähigkeiten und Fertigkeiten und mit den großen Herausforderungen unserer Zeit hergestellt werden.

Zukunftskompetenzen umfassen neben digitalen auch persönliche und soziale Fähig- und Fertigkeiten.” 

Die digitale Transformation eröffnet enorme Chancen und stellt uns vor Herausforderungen – insbesondere für die Gesundheit und das soziale Miteinander. Diese Bereiche gilt es zu gestalten. Die Schule kann dieser Herausforderung aus meiner Sicht nicht allein gerecht werden. Hier fehlen nicht nur finanzielle Mittel, sondern auch fachkundige personelle Unterstützung und eine umfassende Aus- und Weiterbildung von Lehrkräften.

Bärti: Welche Rolle spielen die Eltern in der Vermittlung von digitalen Themen?

Anabel Ternès von Hattburg: Eine zentrale: Je jünger die Kinder sind, desto mehr sind die Eltern ihre Vorbilder. Was Kinder zu Hause vorgelebt bekommen, prägt erst einmal ihr Verständnis von der Welt – angefangen bei der Vermittlung von Werten über die Art, wie man gemeinsam Zeit verbringt, wie man mit Herausforderungen umgeht bis hin zum Bewusstsein für gesundes Essen, für ein soziales Miteinander, für Umweltschutz und die Entfaltung der eigenen Stärken und Interessen.

Nur als mental starke Persönlichkeiten sind Kinder in der Lage, sich den Herausforderungen der digitalen Zukunft zu stellen und ihre eigene Welt zu gestalten.“

Bärti: Welche Inhalte vermitteln Sie in Ihren Workshops?

Anabel Ternès von Hattburg:

Wir greifen drei Bereiche auf, die Zukunftskompetenzen ganzheitlich stärken:

  • Digitale Prozesse und Tools,
  • die eigene Persönlichkeit im sozialen Miteinander und
  • gesundes Leben.

 So lernen Schüler anhand des interaktiven GetYourWings-Computerspiels Alles gesund, oder was?!, was gesund Essen heißt und warum das so wichtig ist, dann bereiten sie gemeinsam gesundes Essen zu und halten anschließend das Erlernte unter anderem in einem Q&A-Format fest. Beim Spielen des GetYourWings-Computerspiels Code and Safe the Planet erlernen Schüler, wie sie gesund leben können, indem sie unter anderem Bewegung, aber auch Recycling und bewusstes Einkaufen in ihren Alltag integrieren und ein Gespür für Resourcen bekommen. Darüber hinaus verstehen sie nach dem Spiel Grundlagen des Programmierens und wie sie Social Media für gute Zwecke einsetzen können, indem sie darüber beispielsweise ihre Mitschüler zum Plastikfasten aufrufen. Nach dem Spiel setzen sie das auch um und gestalten beispielsweise Erklärvideos, die Wissen vermitteln und zum eigenen Tun anregen.

Der Bereich Die eigene Persönlichkeit im sozialen Miteinander greift nicht nur die Chancen der Digitalisierung auf, sondern auch deren Herausforderungen. Hier geht es unter anderem auch um die Themen Datensicherheit und Cybermobbing.

Ein eigenes Computerspiel zu dem Bereich stärkt und schult die mentale Stabilität der Kinder und ein soziales Miteinander.

Damit die Workshops nachhaltig wirksam eingesetzt werden können, sind sie niederschwellig in den normalen Regelunterricht integrierbar. Zudem enthalten sie immer Transferprodukte, die Schüler ihren Eltern, Freunden und Bekannten zeigen können, und die zum Verstehen, Austauschen und Ausprobieren anregen.

Bärti: Welche Tipps haben Sie für mich, wie ich mich auf diese Themen vorbereiten kann?

Anabel Ternès von Hattburg: Du solltest digitale Tools mit Spaß und mit Achtsamkeit verwenden und probiere unbedingt unsere Computerspiele aus – sie sind spannend und dabei lernst du einiges. Verstehe, wie Digitales funktioniert, bringe Dir Programmieren bei, aber lerne auch, wie Du Dich vor Sicherheitslücken schützen und wie Du souverän mit Cybermobbing umgehen kannst. Überlege Dir, wo digitale Helfer sinnvoll sind, aber auch, wo Du einen Ausgleich zur Beschäftigung mit Digitalem findest, zum Beispiel draußen in der Natur, beim Sport, Musizieren oder Kochen mit Freunden.